Blickpunkt
Wut, Hass, Angst.
Ausgabe 4 April | Mai | Juni | Juli
Wenn ich auf die letzten zwei Jahre zurückblicke, gibt es so manches Ereignis, das mir nachdrücklich Kopfschmerzen bereitet. Nicht nur, dass das soziale Klima bei uns anscheinend abkühlt, auch die politische Entwicklung in Deutschland gibt Anlass zur Beunruhigung. Was mich aber am meisten im vergangenen Jahr erschüttert hat, war die Tatsache, dass eine Freundin sich als AfD-Wählerin bekannte. „Die aktuelle Politik ist nicht mehr vertretbar und denen muss man eins auswischen!“ Da stand ich nun dieser Angst/Wut-Wählerin gegenüber und sah mich in meinen liberalen und zumeist philanthropischen Grundfesten erschüttert.
Was brachte diese Person dazu, ihre politische Gesinnung derart zu verändern? Die Gründe waren schnell zur Hand: zu viele Fremde im Land, die nicht hierher passen, und die Politiker kriegen die Integration nicht geregelt. Diese vielen fremdländischen Menschen erzeugen ein Gefühl von Unsicherheit und Angst.
Doch mir reichte diese Erklärung nicht aus, denn sie rechtfertigt m.E. noch nicht, eine rechtsgerichtete Partei zu wählen, die in ihrem Parteiprogramm Hass, Wut und Angst schürt. Ich machte mir tatsächlich die Mühe, in das Parteiprogramm der AfD zu schauen, um zu verstehen, was Menschen dazu veranlasst, sich solch einer Denke anzuschließen. Vergeblich! Ich konnte nichts, aber auch gar nichts finden, was mein Verständnis weckte. Woher kommt diese Wut auf das Fremde, die häufig in laut schreienden Hasstiraden mittlerweile weltweit zu hören ist? Kann eine Gesellschaft nicht eher davon profitieren, wenn sie neue Impulse von außen, also von anderen Kulturen bekommt und sich somit der Kreativität und Fortentwicklung öffnet? Der direkte Kontakt zum Unbekannten könnte doch auch ein guter Kontrapunkt zur Angst sein, die ansonsten schnell überhand gewinnt und andere Sichtweisen versperrt.
Vor einiger Zeit lernte ich eine Frau aus Syrien kennen, die gar nicht dem entsprach, was ich an Informationen aus den allgemeinen Medien entnehmen konnte. Ihre Geschichte war erschütternd und traurig und hat mir verdeutlicht, wie gut es mir in meinem Leben geht. Doch so eine Möglichkeit der Begegnung auf Augenhöhe ist nicht für jeden möglich, und so scheint es für viele leichter, sich einer Menge anzuschließen, die sich einem Wandel verschließt, um das Alte, das scheinbar Bewährte festzuhalten.
Auch am Telefon melden sich hin und wieder Menschen, die aus Furcht vor Fremdem glauben, ihnen würde etwas weggenommen und andere würden bevorzugt. Wenn solche Töne lauter werden, weiß ich durchaus meinen Standpunkt zu vertreten und etwaigen Hassbotschaften und Wutausbrüchen am anderen Ende der Leitung etwas entgegenzusetzen: Ich habe z.B. die Erfahrung gemacht, dass sich die Wut mancher Anrufenden auflöst, sobald man sich ihrer inneren Not zuwendet.
Mit der Freundin, die sich für die AfD entschieden hat, habe ich allerdings gebrochen, da diese Einstellung allem widerspricht, was mein persönliches Wertesystem ausmacht.
Auf der Adventsfeier unserer Dienstelle im vergangenen Dezember erwähnte unsere Leitung in der Andacht, wie aufwühlend die aktuelle Zeit mit ihren lautschreienden Diktatoren, mit der zähen Politik der Bundesregierung und den rechts-populistischen Parteien sei. Mit der Möglichkeit, im Schutze unserer Einrichtung in Ruhe miteinander reden zu können und ausgiebig zu reflektieren, sind wir wahrlich gesegnet.
Bedauerlicherweise wird das Augenmerk zu oft auf die geringen 12% der rechts-gesinnten Wähler gerichtet. Die Mehrheit hat eben nicht AfD gewählt. Und ich persönlich bin von Menschen umgeben, für die Zuwendung, Mitgefühl und Beistand wichtig sind, und die deshalb vielleicht aufgeschlossener durchs Leben gehen.
Kay Bohlen
Ehrenamtlicher der
TS Dortmund
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