Blickpunkt / Sonderausgabe

Eine bayrische TelefonSeelsorge-Stelle und Corona

Als ich dem Urlaub am 15. März mulmig zur Arbeit ging, lagen Einschränkungen wegen hoher Covid-19-Infektionszahlen in der Luft. Im Intranet der TelefonSeelsorge begann in dieser Woche ein fortwährender Austausch aller bayrischen Kolleginnen und Kollegen über Szenarien, die auf uns zukommen könnten.

Am 16. März rief Ministerpräsident Markus Söder den Katastrophenfall in Bayern aus und am 21. März traten Ausgangsbeschränkungen in Kraft, die in Bayern besonders streng waren.

Durch den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen war ich vorbereitet. Im Kontakt mit den Katastrophenschutzzentren der Kommunen unserer Region war TelefonSeelsorge als systemrelevant eingestuft worden. Die Mitarbeitenden bekamen eine Bestätigung der Mitarbeit, um die Hin- und Rückfahrt zu garantieren. Gleichzeitig lief die Abfrage aller Mitarbeitenden, wer unter diesen Bedingungen am Telefon oder Chat arbeiten möchte oder nicht. Der größte Teil entschied sich zur Mitarbeit, einige ließen sich beurlauben um sich oder Angehörige zu schützen. Da auch bei uns die Zahl der Anrufe stieg, machten wir eine zweite Leitung auf, die gut besetzt war.

Die TelefonSeelsorge Untermain liegt an der Grenze von Bayern und Hessen. Für die nächstgelegene TelefonSeelsorge in Hessen stellte sich die Frage, ob ihre in Bayern lebenden Mitarbeitenden wegen der strengen bayrischen Regelungen nach Hessen kommen können. Um dies zu gewährleisten stellte die Leiterin den bayrischen Mitarbeitenden eine Bestätigung aus.

Es blieb die Frage nach der Supervision der Mitarbeitenden. Wie kann sie sichergestellt werden und wie können die beurlaubten Mitarbeitenden daran teilnehmen? Wie kann die unterbrochene Ausbildung weitergeführt werden?

Eine datensichere Plattform, die sofort zur Verfügung stand, war unsere Plattform im Intranet der TelefonSeelsorge. Sie ist zum einen von Zuhause aus nutzbar und zum anderen haben die Mitarbeitenden Erfahrung damit, da wir die Anruf- und Chatdokumentation nutzen. Ich legte also je einen eigenen Raum für die Ausbildungs- und die fünf Supervisionsgruppen im Raum TelefonSeelsorge Untermain/Aschaffenburg an.

Supervision per Chat
Die schnellste Möglichkeit den Supervisionsgruppen einen Austausch zu ermöglichen, war die Chatfunktion in den Supervisionsräumen. Alle Supervisionsgruppen haben damit Erfahrungen gesammelt. Die Gruppen-Chats erwiesen sich als eine Möglichkeit miteinander in Kontakt zu kommen und sich auszutauschen. Die große Mehrzahl der Mitarbeitenden konnten mit ihren digitalen Endgeräten und ihren Internetverbindungen teilnehmen. Ein Gruppenchat war für alle völlig ungewohnt. Die Beiträge mussten kurz sein und die Supervisorinnen müssen den Ablauf stark strukturieren. Als große Schwierigkeit stellte sich heraus, dass nicht angezeigt wird, ob jemand gerade schreibt. Das Chatfenster ist sehr klein. Schnell schreibende Mitarbeitende sind im Vorteil. Manche Internetverbindungen übertrugen das Geschriebene schneller, andere langsamer. So gab es in der Kommunikation manchmal ein Durcheinander von Themen und Beiträgen.

Videokonferenzen und Lernnuggets zur Weiterführung der Ausbildung
Zoom wurde von meinem Träger abgelehnt. Er stellte dann allen Beratungsstellen die Plattform 3cx zur Verfügung. Durch Sehen und Sprechen waren Austausch und gemeinsames Lernen dem Gewohnten in Präsenz ähnlich. Die Aufmerksamkeitsspanne war nach etwa 1 ½ Stunden erschöpft. Die Leiterinnen lernten, Austauschrunden stärker zu strukturieren, um die Aufmerksamkeit zu halten. Vorsichtig waren wir mit Selbsterfahrung; theoretische Inhalte ließen sich gut vermitteln. Der Zugang zu 3cx war mit älteren technischen Geräten und schlechter Internetverbindung schwierig. Daher konnten nicht Alle teilnehmen. Mit schriftlichen Lerninhalten im Raum Ausbildung wurden den Auszubildenden theoretische Inhalte an die Hand gegeben. Die Ergänzung der Ausbildung durch Lerninhalte war nicht eingeübt – kann aber in Zukunft eine Bereicherung der Ausbildung sein.

Alle Gruppen treffen sich nun wieder in Präsenz. Einige Supervisionsgruppen wechseln zwischen Präsenz- und Chatsupervision ab.

Ein (vorläufiges) Fazit aus den bisherigen „Corona-Monaten“

  1. Es ist gut, dass wir mit unserem Intranet eine Plattform haben, die geschützte Kommunikation ermöglicht, sowie auch Möglichkeiten der Kontaktaufnahme von Gruppen per Chat und hoffentlich bald per Videokonferenzen bietet.
  2. Welche Form der Supervision auch immer gewählt wird (Präsenz, Video, Chat): es werden immer einige Mitarbeitende nicht daran teilnehmen (können).
  3. Damit möglichst viele Mitarbeitende mit ihrer Supervisionsgruppe in Kontakt sein können, ist für mich ein Mix der Supervisions-Formen weiterhin sinnvoll.
  4. Wenn es in Zukunft für Covid-19 Medikamente gibt und gemeinsames Lernen und Arbeiten in Präsenz wieder leichter möglich ist, möchte ich die technischen Formen als Ergänzung erhalten (z.B. wenn mit widrigen Wetterbedingungen zu rechnen ist). Mit weiteren Erfahrungen werden die Chancen und Grenzen der verschiedenen Formen deutlicher und lassen sich ergänzend verknüpfen. Für Ausbildung, Supervision und Weiterbildungen scheint mir „blended learning“ ein Zukunftsmodell zu sein.

Ich habe das große Glück mit Mitarbeitenden und SupervisorInnen arbeiten zu dürfen, die viel Zeit und Energie in das Ausprobieren neuer Formen investieren, und  auf die große Unterstützung der Sekretärin und des Informatikers und das Engagement der Kolleginnen und Kollegen bauen zu können.

 

Christiane Knobling
Leiterin der Ökumenischen TelefonSeelsorge Untermain

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